Das Beispiel ASAQ, ein Malaria-Medikament
Steckbrief: ASAQ – ein Malariamedikament ohne Patent
Krankheit: Malaria
Bedeutung: geschätzte 219 Millionen Erkrankungen weltweit, 660.000 Todesfälle, davon 90% in Afrika
Erfindung: ASAQ, eine Fixed-Dose Kombination aus Artesunate und Amodiaquine
Wer: Université de Bordeaux, Universiti Sains Malaysia, Centre National de Recherche et de Formation sur le Paludisme (Burkina Faso), University of Oxford (Großbritannien), Drugs for Neglected Disease Initiatiative (Schweiz), Sanofi- Aventis, div. kleinere Unternehmen
Finanzierung: hauptsächlich durch öffentliche Geldgeber
Kosten: 6,4 Millionen Euro
Verwertung: Verzicht auf Exklusivrechte
Kategorie: Entwicklung ohne Patent
Die Ausgangssituation war ungewöhnlich: Das Projekt ASAQ sah vor, ohne kommerziellen Anreiz, aber mit öffentlichen Geldern ein neues Medikament zu entwickeln. Dabei sollte auf jede Art von geistigen Schutzrechten verzichtet werden. Das Medikament ASAQ wurde gezielt gegen eine Krankheit entwickelt, bei der das kommerzielle Interesse sehr gering ist. Malaria betrifft vor allem Menschen in den armen und ärmsten Regionen der Erde. ASAQ wurde zwischen 2002 und 2007 in einer Kooperation zwischen Universitäten, gemeinnützigen Einrichtungen und Pharmaunternehmen entwickelt. Das Projekt wurde so zum Pionier für eine neue Form der Forschungszusammenarbeit: die Product Development Partnership. ASAQ wurde als Gemeingut konzipiert und darf überall als Generikum hergestellt werden.
Treibende Kraft für das Projekt war ein Expertenteam, das sich 1999 auf Betreiben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zusammengefunden hatte. Die Drugs for neglected diseases working group (seit 2003 als Stiftung Drugs for Neglected Diseases Initiative DNDi) suchte nach Möglichkeiten, um die Forschungs- und Versorgungslücke bei vernachlässigten Krankheiten zu schließen. Malaria ist eine typische vernachlässigte Krankheit, die massiv in tropischen und subtropischen Regionen auftritt. Die Weltgesundheitsorganisation identifizierte Ende der 1990er Jahre drei wesentliche Herausforderungen: Resistenz der Erreger gegen die gängigen Medikamente; die Medikamente sind für viele Menschen viel zu teuer; und es fehlte an Produkten, die speziell für Kinder und Babies geeignet sind. Als Lösung wurde die Entwicklung von Präparaten empfohlen, die auf Artemisinin basieren und zwei Wirkstoffe miteinander kombinieren. Koordiniert wurde das Projekt ab 2003 von der Drugs for Neglected Diseases Initiative DNDi, einer virtuellen Forschungseinrichtung mit Partnerinnen in vier Kontinenten. Die technologische Herausforderung bestand darin, die beiden Wirkstoffe stabil in einer Tablette miteinander zu kombinieren. Dieses Verfahren wurde von den französischen Projektpartnerinnen entwickelt (u.a. Université Bordeaux, Bordeaux Krankenhaus und Ellipse Pharmaceuticals). Die deutsche Rottendorf Pharma übertrug den Produktionsprozess vom Labor in industrielle Maßstäbe. Das Pharma-Unternehmen Sanofi-Aventis führte die präklinischen Studien (Tierversuche) durch und erstellte die Unterlagen, die für die Zulassung von ASAQ in mehreren afrikanischen Ländern notwendig waren.
Die Gesamtkosten der Entwicklung beliefen sich auf 6,4 Millionen Euro. Die Gelder stammten überwiegend aus öffentlichen Töpfen. Die Startfinanzierung für die ersten Laborarbeiten übernahm die Weltgesundheitsorganisation (WHO/ TDR), das Forschungskonsortium wurde von der Europäischen Kommission finanziert (FP5-Förderung). Weitere Geldgeber vor allem für die klinischen Studien waren Einrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit (DFID Großbritannien, DGIS Niederlande, AFD Frankreich u.a.). Für die beteiligten Unternehmen war das finanzielle Risiko im Fall eines Scheiterns gering: das Risiko trugen die ursprünglichen Geldgeber DNDi und die Europäische Kommission.
Für die geistigen Eigentumsrechte wurden von Anfang an klare Vereinbarungen getroffen. Entsprechend der DNDi Intellectual Property Policy 50 sollte das Medikament als öffentliches Gut entwickelt werden, Ziel war schließlich die größtmögliche Verbreitung des Produkts in Entwicklungsländern. Allerdings bekam Sanofi-Aventis für den Zeitraum 2005-2007 ein zeitlich begrenztes Exklusivrecht für Produktion und Kommerzialisierung. Mit der Registrierung von ASAQ wurde die Exklusivität wieder aufgehoben und seither dürfen es auch andere Firmen produzieren.
Das Medikament ist inzwischen in 30 afrikanischen Ländern, Indien, Bangladesch und Kolumbien registriert. Sanofi-Aventis vertreibt ASAQ unter dem Markennamen Coarsucam® für den Privatmarkt. Für den öffentlichen Sektor ist das Produkt ASAQ Winthrop® bestimmt. Eine 3-Tagestherapie kostet für Erwachsene weniger als 1 US-Dollar, für Kinder weniger als 0,50 US-Dollar. Die Preisgestaltung folgt dem Prinzip „not profit – no loss“, der Hersteller gibt die Medikamente kostendeckend ab. Da zum Zeitpunkt der Zulassung die Kosten für Forschung und Entwicklung komplett abgedeckt waren, ist eine Re-Finanzierung dieser Kosten über eine Marktexklusivität nicht mehr nötig. ASAQ hatte mit dieser Preispolitik eine Signalwirkung, denn infolge haben auch andere Unternehmen die Preise für ihre Malariamedikamente deutlich gesenkt.
Im Gespräch mit Dr. Jean-René Kiechel
Drugs for Neglected Diseases Initiative DNDi (Genf)
Herr Kiechel, warum haben Sie beim ASAQ-Projekt auf Patentschutz verzichtet?
Wir wollten, dass ein Produkt, welches mit öffentlichen Geldern entwickelt wird, nicht durch ein Patent geschützt wird. Unsere Hoffnung war, so die Verfügbarkeit von „Generika“ zu fördern. Mit demselben Ziel haben wir den Artikel veröffentlicht, der die Entwicklung der Fixed-Dose-Kombination beschreibt. Die Frage des Preises – die Bezahlbarkeit – war auch ein wichtiges Element in der Entwicklung und in den Vereinbarungen mit dem Industriepartner.
Und die Industriepartner haben diese Strategie akzeptiert?
Ja, nachdem sie die Gründe für diese „Policy“ verstanden hatten. Und sie wollten die Sicherheit, dass eine Kopie nicht beginnen würde, bevor die erste ASAQ Fixed-Dose-Kombination verfügbar ist.
Hat diese Strategie für die Regelung der Eigentumsrechte das Ziel erreicht? Wird ASAQ mittlerweile auch von anderen Unternehmen hergestellt?
Ja, außer Sanofi Aventis sind zwei Varianten erhältlich. Die Variante vom indischen Unternehmen IPCA ist mittlerweile von der Weltgesundheitsorganisation präqualifiziert.
Handelt es sich bei ASAQ um eine einmalige Geschichte, oder gibt es inzwischen weitere Projekte nach dem Schema der Nicht-Exklusivität?
Für eine andere Artemisinin-basierte Kombinationstherapie haben wir den gleichen Ansatz gewählt. Für ASMQ gibt es zwei Produktionsanlagen und einen präqualifizierten Hersteller.
Quelle: Pharma-Brief Spezial 1/2013