Das Beispiel HIV-Impfstoff

Steckbrief: IAVI Forschungskonsortium
Krankheit: HIV/Aids
Bedeutung: ca. 34 Millionen Menschen waren 2011 mit HIV infiziert;
69% aller Infizierten leben in Sub-Sahara Afrika. Jedes Jahr sterben ungefähr 2 Millionen Menschen an der Immunschwächekrankheit.
Erfindung: HIV-Impfstoff (in der Entwicklung)
Lösung:

  • nicht-kommerzielle Produktentwicklungspartnerschaft (weltweit)
  • Beteiligung ist an Regeln gebunden, die im Fall eines wirksamen Impfstoffes die bestmögliche Versorgung sichern sollen
  • Aufbau von Forschungskapazitäten in Afrika

Infos: www.iavi.org

Kategorie: Non-profit Konsortium.
Vertragliche Verpflichtungen (access commitments, differential pricing)

Weltweit arbeiten viele WissenschaftlerInnen an einer Impfung gegen HIV und Aids. Ein wirksamer Impfstoff ist noch nicht in Sicht – immer wieder sind erfolgversprechende Impfkonzepte gescheitert, da sie in der klinischen Prüfung nicht die erhoffte Wirksamkeit zeigten. Gerade weil es viele unterschiedliche Impfkonzepte gibt, hat sich die International Aids Vaccine Initiative IAVI zur Aufgabe gemacht, die Forschungsaktivitäten zu koordinieren und durch einen systematischen Vergleich mehrerer Kandidaten diejenigen in klinische Studien zu bringen, die am ehesten zum Ziel führen könnten. IAVI wurde 1996 gegründet und bildet heute ein weltweit aktives Netzwerk mit ProjektpartnerInnen in 25 Ländern. Die Finanzierung teilen sich öffentliche Geldgeber und Stiftungen. Momentan befinden sich vier Konzepte in klinischen Studien (Phase I) und weitere vier Konzepte in der präklinischen Phase.

Auch wenn noch kein Impfstoffkandidat das Ziel erreicht hat, ist eine klare Regelung von geistigem Eigentum und dessen Handhabung bereits im frühen Stadium der Forschung und Entwicklung sinnvoll. Bei IAVI beteiligen sich viele unterschiedliche Akteure, ForscherInnen aus öffentlichen Einrichtungen genauso wie Unternehmen. Alle bringen Wissen und Technologien ein, und bei Schlüsseltechnologien ist die Anwendbarkeit bei weitem nicht auf HIV beschränkt. Aus dem Wissen, das im Kontext von IAVI entsteht, können auch Produkte zu anderen Krankheiten entwickelt werden.

labeeb m abboudInterview im Gespräch mit Labeeb Abboud

International Aids Vaccine Initiative IAVI

 

Herr Abboud, warum sollten Wissenschaftler aus öffentlichen Forschungseinrichtungen sich an einer non-profit-Produktentwicklungspartnerschaft wie IAVI beteiligen?

In einer frühen Phase (upstream research) kann eine Produktentwicklungspartnerschaft (PDP) Finanzierung und unterstützenden Service bieten, z.B. Screening-Werkzeuge, um Impfkonzepte oder Wirkstoffkandidaten zu vergleichen. Wenn es dann zur Entwicklung eines Produktes kommt, kann eine PDP dabei helfen, die Lücke zwischen akademischer Forschung und klinischen Studien am Menschen zu überbrücken. IAVI beispielsweise konnte bis heute dabei helfen, 13 Impfstoffkandidaten über diese Translationsphase hinweg zu bringen.

IAVI definiert in ihren IP- und Lizenzregeln für alle Partner „access commitments”, also Verpflichtungen betreffs des Zugangs zu den Produkten. Sind die akademischen Partner damit einverstanden?

Ja, die meisten ForscherInnen wollen ihre Arbeit so weit voranbringen, dass sie den Menschen Nutzen bringt, vor allem denen, die ihn am meisten brauchen.

Und die Industrie?

Auch diese Partner haben sich dem Konzept der Access Commitments im Allgemeinen angepasst. Dazu gehört, weltweit Zugang zu gewähren zu einem Produkt, das einem gesundheitlichen Bedarf dient.

Diese Access Commitments sprechen auch von „angemessenen Preisen“. Wie kann man festlegen, was angemessen ist?

Für ein Produkt, das für den Gesundheitsbereich in Entwicklungsländern geschaffen wird, ganz besonders für den öffentlichen Sektor, wird der Preis oft an die Produktionskosten angelehnt (on cost), oder ein wenig darüber. Aber es gibt unterschiedliche Ansätze und Definitionen, je nach Produkt und Verwendung. Ist das Produkt z.B. nur für Märkte in Entwicklungsländern bestimmt, oder auch für Märkte in Industrieländern? Wenn es die Möglichkeit eines dualen Marktes gibt, ist das Modell der abgestuften Preise (tiered pricing) üblich. Und da die Herstellungskosten
oft erst in einer späten Entwicklungsphase bestimmt werden können, ist es wichtig, sich bereits zu Beginn einer Entwicklungspartnerschaft prinzipiell auf das Konzept der „angemessenen Preise“ zu einigen.

Wie wird es geregelt, wenn IAVI-Technologien nicht nur für HIV-Impfstoffe geeignet sind, sondern auch für andere Zwecke?

Wenn die Technologie-Plattform von IAVI entwickelt wurde, dann fordern wir für die andere Nutzung eine Access-Regelung ein. Um ein Beispiel zu nennen: IAVI hat ein Vaccine Delivery System weiterentwickelt und dieses System anderen Forschern und Unternehmen zur Verfügung gestellt. Wenn es akademische Einrichtungen waren, haben sie die Technologie kostenlos erhalten. Für Unternehmen haben wir eine Access-Verpflichtung gegeben und uns einen Teil der Entwicklungskosten erstatten lassen.

Kann IAVI auch Plattformen nutzen, die von Unternehmen entwickelt wurden und ihnen auch gehören?

Ja, und das tun wir auch. Unser Interesse ist es, die Entwicklung von HIV-Impfstoffkandidaten zu beschleunigen. Wir arbeiten häufig mit Unternehmen zusammen, um eine ihrer Impfstofftechnologien voranzubringen. Und für die Firmen gibt es gute Gründe, mit uns zusammen zu arbeiten. Das kann ihnen helfen, ihre Plattformtechnologie zu validieren, was deren Verwendung in anderen Bereichen als der HIV-Impfstoffforschung unterstützt. Und diese Bereiche können kommerziell für die Unternehmen interessant sein.

Quelle: Pharma-Brief Spezial 1/2013