WIPO ReSearch vermittelt Kooperationen und Lizenzen

Steckbrief: WIPO Re:Search
Krankheit: Malaria, Tuberkulose und 19 vernachlässigte Krankheiten
Bedeutung: vernachlässigte Krankheiten betreffen vor allem Menschen in den ärmsten Ländern der Welt
Erfindung: Re:Search ist beim World Intellectual Property Office WIPO angesiedelt.
Partnerin: die Industrieinitiative BIO Ventures for Global Health
Lösung: Vermittlung von Lizenzen zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen.
Kostenlose Nutzung für Anwendung in den 48 ärmsten Ländern der Welt
Infos: www.wipo.int/research/en/

Kategorie: nicht-exklusive Lizenzierung, royality free für vernachlässigte Krankheiten

Unter dem Namen Re:Search hat die oberste Patentbehörde WIPO 2001 ein Konsortium gegründet, um die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen für Entwicklungsländer zu fördern. Gründungspartnerin ist die Industrieinitiative BIO Ventures for Global Health, die Weltgesundheitsorganisation WHO hat beratende Funktion.
Das Prinzip: Re:Search vermittelt Lizenzverträge zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Die Anbieter von Patenten, klinischen Daten und anderem geistigen Eigentum erlauben die gebührenfreie Nutzung,
wenn Produkte gegen vernachlässigte Krankheiten entwickelt werden. Diese Regel gilt sowohl für die Forschung und Entwicklung als auch für die Herstellung der Produkte. Sie bezieht sich eindeutig nur auf die Versorgung der 48 ärmsten Länder der Welt (least developed countries LDCs).
Zu den Anbietern gehören mehrere multinationale Pharmaunternehmen. So hat AstraZeneca sein gesamtes Patent-Portfolio eingebracht. Dazu gehören beispielsweise Wirkstoffe, die bislang gegen Osteoarthritis entwickelt wurden. Die University of California, San Francisco (UCSF) wird diese Verbindungen auf ihre Eignung zur Behandlung von Schistosomiasis und Kinetoplasten untersuchen.
Die Universität in Dundee (Schottland) wird Substanzen von AstraZeneca, die als Alzheimer-Medikamente entwickelt wurden, bezüglich Chagas, Leishmaniose und Schlafkrankheit erforschen. Ein weiterer Vertrag wurde zwischen zwei Unternehmen geschlossen: Die südafrikanische Firma iThemab Pharmaceuticals hat Patente auf eine neue antibiotische Wirkstoffklasse, AstraZeneca wird die Entwicklung neuer Medikamente gegen Tuberkulose unterstützen.
Insgesamt beteiligen sich 32 öffentliche Forschungseinrichtungen und 10 Unternehmen als Anbieter (Stand 13.4.2013). Die geographische Spannweite ist groß und schließt neben europäischen und amerikanischen Einrichtungen auch Institute aus Asien, Afrika und Lateinamerika ein. Darunter finden sich die London School of Tropical Medicine, die University of Lagos (Nigeria), die National Institutes of Health (USA), aber auch Unternehmen wie Pfizer, GlaxoSmithKline und Novartis. Re:Search dient als Kontaktbörse: Über eine zentrale Datenbank auf der WIPO-Webseite kann man Wirkstoffe, Technologien und Dienstleistungsangebote recherchieren. WIPO und WHO beraten bei der Ausgestaltung der Verträge. Die Association of University Technology Managers (AUTM) und die Licensing Executive Society International (LESI) unterstützen die Initiative. Bisher wurden insgesamt 16 Vereinbarungen getroffen, weitere sind in Vorbereitung. Ein beteiligter Wissenschaftler sieht ein großes Potenzial für Universitäten: „ForscherInnen können ihre Forschung zu vernachlässigten Krankheiten oft nur bis zu einem gewissen Grad fortführen, dann stirbt das Projekt. Aber wenn man hochqualifizierte internationale PartnerInnen für die Weiterarbeit hat, kann plötzlich etwas attraktiv werden, das vorher nach sehr begrenzten Möglichkeiten aussah,“
so Dr. Dennis Liotta, Professor für Chemie an der Emory University.

Im Gespräch mit Tom Bombelles

World Intellectual Property Organization


Mr. Bombelles, welche Vereinbarungen wurden bisher über WIPO Re:Search unterzeichnet?

Unser Projekt startete 2011, wir sind also noch in einem frühen Stadium. Bisher gibt es 16 Kollaborationen unterschiedlicher Art – von ersten Verhandlungen über Material Transfer Agreements bis zum Austausch von Informationen. Wir sehen uns als Katalysator, der bereits laufende Verhandlungen beschleunigt und effektiver macht. Manche Vereinbarungen hätte es vielleicht auch ohne uns gegeben, aber WIPO Re:Search hat wichtige Anschübe gegeben. In anderen Fällen wäre es ohne WIPO Re:Search als Kontaktbörse erst gar nicht zu Verhandlungen gekommen.

Können Sie ein paar Beispiele geben?

Die Emory University (Atlanta, USA) stand bereits im Gespräch mit den National Institutes of Health, aber wir konnten neue Diskussionen anregen. Das Kumasi Center for Collaborative Research (Ghana) ist jetzt in Verhandlung mit der Stanford University (Kalifornien, USA), um Proben für die Erforschung von Wurfinfektionen zur Verfügung zu stellen. Dazu kam es nur durch WIPO Re:Search.

Wie bekommen Sie Unternehmen mit ins Boot?

Wir haben beispielsweise das US Pharmaunternehmen Merck & Co. Inc. mit der University of California, San Francisco (UCSF) zusammengebracht. Merck wird UCSF WissenschaftlerInnen einige pharmazeutische Wirkstoffe zur Verfügung stellen, um deren Eignung für Medikamente gegen Schistosomiasis zu untersuchen.
Diese Wirkstoffe wurden bereits mehrere Jahre an Menschen getestet. Wenn die ForscherInnen mit gut bekannten Verbindungen arbeiten können und Zugang zum klinischen Wissen und den Zulassungsdaten haben, bringt das enorme Vorteile und kann helfen, das „Tal des Todes“ zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien zu überbrücken. Studien der Phasen II und III liefern zusätzlich zur Wirksamkeit auch Informationen über Sicherheit und Risiken. Wenn man diese Daten von einer Firma erhält, unterstützt das andere WissenschaftlerInnen bei
der Entwicklung neuer Anwendungen.

Bieten auch Universitäten ihr geistiges Eigentum anderen NutzerInnen an?

Viele Universitäten, die Mitglied von WIPO Re:Search geworden sind, interessieren sich sowohl dafür, IP zur Verfügung zu stellen als auch anderes IP zu nutzen. WIPO Re:Search gibt es unter anderem auch dazu, neue Wege zur Erforschung von vernachlässigten Krankheiten, Malaria und TB zu ermöglichen. Privatunternehmen, zumindest die großen Pharmakonzerne, sind nicht sonderlich an der Entwicklung von Medikamenten gegen diese Krankheiten interessiert. Aber sie bieten Anderen Unterstützung an, z.B. beim Screening von Verbindungen. Universitäten sind gut
in der Grundlagenforschung, aber nicht so sehr in der Produktentwicklung. Deshalb hilft WIPO, beides zusammenzubringen.

Die Patentverwertungsagenturen der Universitäten sind verpflichtet, die Erfindungen zu Geld zu machen. Wie können Sie eine Universität dazu motivieren, an einem Projekt für vernachlässigte Krankheiten mitzumachen, wo keine Gewinne zu erwarten sind?
 
Wir haben bereits etliche Universitäten aus Afrika, Europa und den USA als Mitglied, offenbar machen wir unsere Arbeit gut. Und unsere Leitlinien bieten auch Möglichkeiten, Geld zu erwirtschaften. Re:Search beschäftigt sich mit 19 vernachlässigten Krankheiten plus Malaria und TB. Lizenzen für Forschung und Entwicklung sowie die Produktion müssen für alle Lizenznehmer weltweit gebührenfrei sein. Aber Verkaufslizenzen müssen zumindest in den Least Developed Countries gebührenfrei sein. Verkaufslizenzen in anderen Ländern müssen nicht unbedingt umsonst sein. Somit kann eine Einnahme geschaffen werden, denn Malaria, TB, Dengue und einige andere Krankheiten haben in weit mehr Ländern potenzielle PatientInnen.

Quelle: Pharma-Brief Spezial 1/2013